‘In & out of Contact’ oder ‘in & out of Solo?’ – Überlegungen zu Jam Strategien
Die Frage „Wie gelange ich auf einer Jam in ein Duett/ Trio hinein?“ oder „Wie mache ich ein Angebot um in ein Duet/ Trio zu gelangen?“ geht meiner Erfahrung nach schon am Wesentlichen vorbei. Meine Frage lautet eher „Wie bereite ich mich auf eine Jam vor?“ Das heisst, wie finde ich mein eigenes Interesse, meine Neugierde und Bewegungslust? Welche Strategien habe ich mich für Begegnungen mit anderen zu öffnen?
In den Jams, die ich am meisten schätze, finde ich mich gar nicht in der Bedürftigkeit wieder in ein bestimmtes Duett oder Trio gelangen zu wollen. Der Ort der Bedürftigkeit ist vielleicht ein üblicher aber keiner, der es leicht macht in Kontakt zu kommen. Mein Tanz ist mein Zuhause, von dort breche ich auf, dorthin komme ich zurück. Für meine Reise durch eine Jam scheint mir „In and out of Solo“ der viel stimmigere Terminus zu sein als „In and out of Contact“.
Wenn ich es geschafft habe mich auf eine Jam vorzubereiten, bin ich präsent und verfügbar: dann bin ich ein Angebot! In Kontakt zu gelangen ist dann oft äußerst einfach, ja fast selbstverständlich. In den üblichen, duet-lastigen Situationen sieht das oft so aus:
Ich nehme mir die Zeit ein Duett zu betrachten, positioniere mich in der Nähe oder greife Bewegungen auf. Ich nehme wahr ob ich eingeladen werde hinzuzukommen oder nicht. Wenn nicht, dann ist das eine Information, die gleichwertig neben anderen steht. Ich bin nicht abgelehnt. Ich tanze meinen Tanz und bekomme eine Information für meinen Tanz. Ich kann meinen Ort verändern, ich kann weiterhin Bezug zu dem Duet nehmen, ich kann Bewegungen aufnehmen und sie mir zu eigen machen und darüber ein neues Kapitel meines Solos aufschlagen.
Es ist wie mit viel Zeit und Muße auf einem Spaziergang an einer Haustür vorbei zu gehen. Vielleicht sehe ich, dass drinnen gespielt oder gesungen wird. Ich bin möglicher Weise neugierig aber dennoch sehr zufrieden mit meinem Spaziergang. Vermutlich habe ich nicht mal den Impuls zu klopfen. Doch dann geht die Tür auf, vielleicht schaue ich kurz hinein, vielleicht werde ich gefragt, ob ich mitspielen oder mitsingen will. Jetzt merke ich, ob ich mehr Spass an meinem Spaziergang habe oder am Mitsingen. Ich entscheide, ob ich eintrete.
Ja, ich glaube tatsächlich, dass auf Jams mit einer gewissen Offenheit der Tanzenden ein Anklopfen meist gar nicht nötig ist. Die Türen springen ständig auf und ich muss vor allem entscheiden, ob ich eintreten will oder nicht.
Bei Jams hingegen, die vor allem aus Duetblasen bestehen, wo die Türen abgeschlossen und die Vorhänge vorgezogen sind … da klingel ich schon mal Sturm und zerre die Bewohner dieses Duets mit freundlicher Gewalt nach draußen, wo die Sonne scheint.
Doch natürlich sehe ich ein, dass die Alltagserfahrung beim Jammen oft zwischen diesen Extremen liegt. Für solche Fälle macht es Sinn die Kunst des Anklopfens zu lernen, mit verschiedenen Strategien vertraut zu sein, um um Einlass zu bitten. Aber in meiner Erfahrung und meiner Vision von Jams ist dies eher das Notfallprogramm.
Ein paar Anklopf Strategien in Stichworten:
- in der Nähe eines Solos oder Duets positionieren als empatischer Beobachter
- mit Nähe und Distanz spielen (dem Duet/ Solo nicht penetrant auf der Pelle hängen)
- Mit Armen oder Beinen einen Kontakt anbieten (über Innehalten oder indem ich ein gutes Timing finde)
- mit schlichten Bewegungen den Rhythmus des Duetts übernehmen
- Blickkontakt herstellen (ohne aufdringlich zu sein)
- eine kontrastierende Qualität anbieten. Grundsätzlich ist es nett ein kleines Geschenk mitzubringen und sich nicht einfach durchfüttern zu lassen.
Es gibt natürlich auch innig vertiefte Duets, wo mir das Zuschauen wesentlich stimmiger erscheint als das Anklopfen. Ein Duett, das nicht zum Zuschauen einlädt hat für mich wiederum auf einer Jam nichts zu suchen. Das gehört in private Räume. Die Jam ist kein privater Raum. In irgendeiner Weise bedarf es eines Bewusstseins, was ich in die Jam einbringe, wie ich sie füttere und bereichere. Was ist mein Beitrag, als Tanzender oder Schauender? Ich glaube, das eine Jam wesentlich höhere Chancen hat für viele eine bereichernde Erfahrung zu sein, wenn möglichst viele – neben ihrer Beschäftigung mit ihrem eigenen Weg durch die Jam – auch noch eine Antenne für das gesamte Geschehen behalten. Mir hilft es dabei, die Jam als ein selbstgenügsames Kunstwerk zu denken, in dem die Beteiligten sowohl die Künstler als auch die Betrachter sind.
Im Hintergrund all dieser Überlegungen steht allerdings die Grundfrage „Woher nehme ich die Gelassenheit und das Vertrauen, dass sich mir die Türen irgendwann schon öffnen werden, dass mein Spaziergang ein bereichernder wird? Meine Erfahrung sagt, dass ich vor allem durch meine Vorbereitung auf die Jam Einfluss darauf nehmen kann. Und wie tue ich das?
Eine gute Frage!!!*
* Die fundierteste Anregung dazu ist wohl der Underscore von Nacy Stark-Smith!