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Worum geht’s eigentlich? – Gedanken zu Körpertherapie und Tanz

Soeben hatte ich bei einer recht bewegenden Grinberg Sitzung plötzlich einen Moment von Klarheit und ich sagte: „Deshalb tanze ich wahrscheinlich!“

Bei einer Grinberg Sitzung scheint es nicht unüblich zu sein Körperbereiche zu spüren, zu denen man vorher gar keinen Zugriff hatte bzw. von denen man nicht wirklich wusste, dass sie zu einem gehören. Wie ich es erlebe, ist es nichts Weltbewegendes. Ich merke Qualitäten – oft unliebsame – die ich auf ähnliche Weise aus anderen Körperteilen kenne. Häufig eine Form von Anspannung oder Festhalten, nichts neues in gewisser Weise. Dazu kommt, dass ich zwar etwas Neues wahrnehmen kann, aber dennoch habe ich keinen direkten Zugriff darauf. Ich kann sagen: „Hallo Muskel, da bist du ja, jetzt weiss ich das es dich gibt.“ Aber wenn ich sage: „Nun lass doch mal los und entspann dich“ passiert nichts dergleichen. Aber ich bin dennoch in grossem Glück. Ich bin ja auf einmal ein Stück mehr, ich habe sozusagen ein Körperbereich hinzugewonnen. Und aus meiner Erfahrung weiss ich, dass es möglich ist mit diesem verschütteten Bereich in einen langsamen, feinen aber sehr lebendigen Dialog zu gelangen. Ganz platt gesagt gilt meistens: Verspannung ist eine Angstreaktion des Körpers, der etwas schützen will. Angst macht oftmals blind dafür wie lange etwas geschützt werden muss und ob die Schutzmaßnahme tatsächlich sinnvoll ist. Das Loslassen einer Verspannung öffnet etwas, setzt blockierte Energien frei und schafft neue Freiheiten.

Irgendwie berührt das in mir die Frage nach Wertigkeiten. Was ist mir wie viel wert? Was ist wirklich bedeutsam und kostbar für mich? Was macht mich lebendiger und vollständiger?

Das Grossartige an diesem ganzen ‘Körpergedöhns’ mit dem Tanzen und der Körperarbeit ist für mich, dass es so atemberaubend real ist. Es kann mir kaum etwas näher und realer sein als mein Körper. Er ist ja einfach da, ständig, immer und Grundlage dafür, dass ich überhaupt etwas wahrnehmen kann. Es ist fast peinlich simpel, dass ich mich durch meinen Körper wahrnehmen kann, mich potentiell als lebendig erlebe. Unsere Monate vor und nach der Geburt sind ja zu allergrössten Teilen genau diesem Mysterium verschrieben: Über Berührung und Bewegung uns selber wahrzunehmen.

In meiner Grinberg Sitzung mache ich genau das und bin vielleicht ähnlich involviert und vollständig damit zufrieden in dieses Erleben zu gehen und mich so kennenzulernen und überhaupt zu lernen.

Meine konkreteres Erleben heute war eine Mischung aus Kraft und Sattheit mit einem grossem Mass an Feinheit und klarer innerer Verbundenheit. Etwas animalisch Lebendiges mit etwas sehr Artikuliertem, Bewusstem. Es ist eine Kombination von Qualitäten wie ich sie im Tanzen suche und finde, speziell in der Contact Improvisation.

Das Satte, Saftige, Kraftvolle, Animalische, Ungebändigte, Vorurteilsfreie … ich verbinde es mit der Arbeit am Zentrum, ein Kernstück meines Unterrichts. Das Feine, Artikulierte, das äusserst genaue Hinschauen und Hinspüren, das Probieren und nicht Wissen, Hinterfragen, Reflektieren… ich verbinde es zum einen mit dem Fasziensystem, klarer aber noch mit dem, was ich als ‘Unwinding Practice’ bezeichne. Eine Form des Hinhörens in alle Teile des Körpers, ein Erahnen und Erhorchen der kleinen Widerstände und Bewegungswünsche eines jeden Gelenks und sonstiger beweglicher Anteile, die mich meinen Körper als verbundenes Ganzes erfahren lassen. Viel Rotieren und Winden, Einsammeln und Ausbreiten in allen Richtungen sowohl innerhalb des Körpers als auch seinem Bezug nach aussen.

Der natürliche Zustand des Zentrums ist es AN zu sein, sagt Daniel (Werner) gerne, mühelos engagiert. Nicht die Totalentspannung, sondern das subtile in-Bewegung-sein spart Energie und macht uns verfügbar. Für alles mögliche, was geschehen mag. In meiner Erfahrung gilt das vom Zentrum ausgehend für den gesamten Körper.

Im Tanz, speziell der Contact Improvisation wird ein Raum geöffnet, wo sich mein Körper in diesen Qualitäten ausleben und erfahren kann. Ich glaube, dass viele Körpertherapeutischen Schulen bzw Bewegungsschulen wie Feldenkrais, Alexander Technik, Klein Technik, Eutonie … ähnliche Erfahrungen eröffnen, nur geben sie in den seltensten Fällen Räume, wo sich der Körper in all seiner Bewegungslust verschwenden kann.